Eine Hitzewelle wie seit Jahren nicht. Kein Sommerloch in Sicht. Die 690 DUKE für zwei Wochen zu Gast. Wir erobern die Stadt, flüchten in Wälder und tauchen ein in Gewässer. Kapitel 2: WALD
Schon viel erlebt habe ich mit den einzylindrigen Herzoginnen. Jedes Jahr, seit ihrer Geburt – es sind schon mehr als zwanzig! – war eine von ihnen bei mir zu Gast. Sie haben die Topographie Österreichs von Ost bis West und von Nord bis Süd erkundet. Ich habe ihnen die Dolomiten gezeigt, die Seealpen, die Küsten Kroatiens, Italiens, Frankreichs, Spaniens und Portugals, ein paar adriatische und noch viel mehr. Aber noch nie zuvor hat eine von ihnen mit mir solch einen Sommer erlebt wie heuer, noch nie zuvor war es so lange so anhaltend heiß – mit Temperaturen täglich jenseits der 30-Grad-Grenze – gewesen. Noch nie zuvor hatten wir den praktischen Parkplatz vorm Haus zugunsten einer schattigen Abstell-Möglichkeit um die nächste Ecke verschmäht.
Familientreffen
Wir brechen im Morgengrauen auf. Eine Foto-Session steht auf dem Arbeitsprogramm. Am Wetter soll es dabei nicht scheitern. Die Prognose verspricht ein weiterhin anhaltendes Hoch. Auch in Bezug auf die Temperaturen. Also starten wir vorsichtshalber bereits um sieben Uhr früh. In vermeintlicher morgendlicher Kühle. Wozu das Thermometer meint: 30 Grad. Im Schatten. Was das professionelle und coole Leder-Outfit konterkariert. Dafür aber passt das Foto-Licht. Es ist schmeichelnd weich, die – spärlichen – Schatten sind noch lang. Dennoch: Nach etlichen Shooting-Durchgängen und mehreren Posing-Runden im Kreisverkehr beginnt der Kreislauf zu streiken. Auch der Herzogin wird’s langsam heiß. Sie will im Fahrtwind nach Abkühlung hecheln.
Das ist schwierig, in der sommerlich von Baustellen gepflasterten Stadt. Es staut sich, wohin man auch schaut. In den Blechkisten erhitzen sich die Gemüter. Vor allem die von jenen, die partout nicht verstehen wollen, dass sich die Hitze auch unterm Helm staut, dass einem der Motor ordentlich den Popo heizt. Besonders, wenn man grad in der Kolonne steht. Was man selbstverständlich nur dann tut, wenn gar kein Platz mehr zum Durchschlängeln bleibt. Und wenn doch, dann ist ein wütendes Hupkonzert noch das Harmloseste, was man zu hören bekommt. Manch einer lässt das Fenster herunter und spuckt grobe Unfreundlichkeiten heraus. Einer reißt sogar die Türe auf und droht mit Handgreiflichkeiten, nachdem wir es geschafft haben, gerade noch rechtzeitig zu bremsen. Es war nicht alles verständlich, was da gebrüllt wurde, aber es hatte etwas mit Hauen und Brechen zu tun.
Höchste Zeit, zu flüchten! Wir scheren aus der Kolonne aus. Biegen, zugegebenermaßen irregulär, links in die nächste Gasse ab, suchen auf Schleichwegen einen Umweg. Und wir fassen einen Entschluss: Weg aus der von schlechter Laune verseuchten Stadt (noch nicht ahnend, dass dieses Flucht-Manöver eine saftige Rechnung zur Folge haben wird. Privatanzeige. Und eine Zahlungsaufforderung vom Staat).
Wir suchen Erholung. Nichts wie weg. Ein paar Sachen für zwei Nächte sind schnell gepackt. Was leider nicht daheim bleiben darf, das ist der Laptop. Denn der nächste Redaktionsschluss steht an. Und los geht’s in Richtung Wald, vielmehr ins Waldviertel. Da ist es erfahrungsgemäß meistens kühler. Wenn nicht, dann ist da ja der Wald und damit auch viel Schatten – in kaum hundert Kilometern Entfernung von Wien.
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Waldviertel
Dieses Mal geht’s vorsichtshalber schon um fünf Uhr los. Die Herzogin und ich flüstern uns aus dem Häusermeer (was ohnehin nicht schwierig ist, mit der serienmäßigen Auspuffanlage), so gut wie alle Fenster sind geöffnet.
Über die Autobahn in Richtung Krems fahren ist fad. Zudem ist der Weg über den – noch nahezu verkehrsfreien – Riederberg eine gute Einstimmung. Das fahrerisch langweilige Tullnerfeld ist schnell durchquert. Weiter geht’s in Richtung Wagram, immerhin schon am Waldrand entlang und zwischen Weinbergen hindurch.
Erster Stopp ist Langenlois. Der Laptop bleibt – noch – samt Gepäck im Zimmer. Wir besuchen erst einmal die Ruine Senftenberg, schauen kontemplativ das Kremstal hinauf und hinunter, genießen die Frische und den sanften Wind, hören den Grillen beim Schlafengehen zu. So lange, bis die erste Busreisegruppe den Burgberg erklommen hat …
Ruine Senftenberg
Zurück nach Langenlois ist es nur ein Katzensprung. Auf den sogleich der erste Sprung in den Pool folgt. Was abwechselnd mit emsigem Schreiben im kühlen Zimmer den Rest des Vormittags ausfüllt. Nachmittags wird’s künstlich kühl: Es ist eine Besichtigung des Weinkellers angesagt. Dazu gehört eine spritzige Show, die demonstriert wie Wein entsteht. Eine herrliche Inszenierung, die viel mit Wasser zu tun hat, was nicht heißen soll, dass der Wein des Loisiums gewässert wäre!
Weinkeller Loisium
Wir gehen in den Wald. Wie bringt man Arbeiten und Erholung unter einen Hut? Entweder gar nicht oder mit gutem Timing. In diesem Sinne erfolgt der Aufbruch von Langenlois wieder in aller Frühe. Das Frühstück besteht sowieso, wie gewohnt, aus Kaffee und nochmals Kaffee. Das Tagesziel, die Burg Oberranna, ein paar Kilometer von Spitz an der Donau entfernt, wäre im Prinzip in einer guten halben Stunde erreichbar. Jetzt heißt Erholung aber nicht unbedingt Stillstand. Weshalb ich der Herzogin und mir einige erholsame Umwege durch den kühlen Wald gönne. Zwischen Krems und Weinzierl etwa führen unzählige Straßen und Sträßchen zwischen Nadel- und Laubbäumen hindurch in die angepeilte Richtung. Das gefällt meiner Gast-Mattighofnerin! Sie hechelt nicht mehr. Sie schnurrt. Dafür darf sie im Vorgarten der Burg an einer Stelle parken, die garantiert schattig bleibt. Während ich mich samt Laptop auf der Terrasse einrichte. Im Schatten. Unterm Sonnenschirm. Mit Blick auf den Spitzer Graben. Am gegenüberliegenden Hang, am Waldrand, weiden Schafe. Manchmal blökt eines. Sonst gibt’s nur Vogelgezwitscher. Und, den ganzen Vormittag, nur wenige Gäste. Solche, die offenbar selbst gerne ihre Ruhe haben.
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Burg Oberranna
So vergehen Vormittag und Mittagszeit wie im Flug. Die Challenge besteht nicht nur darin, die anstehende Text-Produktion so weit wie möglich voranzutreiben sondern auch die Kapazität des Laptop-Akkus auszuloten. Der hat aber einen sehr langen Atem. Erst nach acht Stunden verlangt er nach einer Aufladung. Also kommt er spätnachmittags an die Steckdose. Und bis zum Abendessen geht sich noch ein Abstecher auf den Jauerling aus. Dort ist es wirklich kühl. Nicht nur im Wald. Was die Herzogin und ich aus vollem Herzen begrüßen.
Wir tauchen ab. Es gibt Tage, da ist die Donau nicht halb so blau wie sie im Walzer besungen wird. Wenn es heiß ist und die Farbe des Himmels vor Hitze milchig wird, dann ist sie graubraun und grünlich. So richtig grün, das ist der kühle Donausee bei Weitenegg. In diesem spiegelt sich der Uferwald. An diesem gibt es ruhige Plätze, wenn man dazu bereit ist, ein Stück zu Fuß zu gehen. Oder sich ein Boot zu borgen, um sich zwischen Fischen, Enten und Schwänen einen Weg zum gegenüber liegenden Ufer zu bahnen und dort das Outdoor-Büro aufzuschlagen. Und dort zu bleiben, mit zwischenzeitlichem Abtauchen ins kühle Wasser, bis der Akku wieder leer ist und die Sonne sich anschickt unterzugehen. Dann ist es leider auch Zeit, wieder in die Stadt zurückzukehren. Immerhin sind die wichtigsten Stories geschrieben.
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Waldsee / Forest Lake
Fotos: Veronika Hiller-Asso, Beatrix Keckeis-Hiller, Seppi Linsbichler
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