Robert Jonas arbeitet an der Seite von Pit Beirer an verschiedenen KTM-Rennstrategien, besonders im Offroad-Bereich. Wir haben uns mit ihm darüber unterhalten, wie es ist, sich in einer oft harten Welt der Pläne, Verträge und Wagnisse zu bewegen …
Sein weißes Polo-Shirt ist ein eindeutiges Zeichen. Statt orange trägt Robert Jonas nun neutralere weiße Kleidung mit kleinen KTM- und Husqvarna Motorcycles-Logos. Der Österreicher ist für das gesamte Offroad-Rennprogramm von KTM und Husqvarna Motorcycles verantwortlich und ist Pit Beirers rechte Hand, wenn es darum geht, zu entscheiden, wer was, wo und wann fährt.
Während der Deutsche die meiste Zeit damit verbringt, alle sportlichen Aktivitäten des Unternehmens – insbesondere die in seiner ersten MotoGPTM-Saison – zu überwachen, konzentriert sich Robert mehr auf die MXGP und ist somit ein idealer Gesprächspartner, um mehr über die Abläufe hinter den Kulissen herauszufinden. Wir alle kennen die Trophäen, Champagnerduschen und Titel … wie viele von uns sind sich aber der Überlegungen und Schwierigkeiten hinter solchen Erfolgsgeschichten bewusst? Im Inneren der geschäftigen Red Bull Energy Station steht Kaffee bereit, und ein sympathischer Robert Jonas steht uns Rede und Antwort …
Robert Jonas (AUT)
Du warst ja selbst einmal Rennfahrer und kennst dich somit im Metier aus. Bedeutet deine jetzige Stellung und die damit verbundene Verantwortung aber, dass du noch besser verstehen musst, wie man mit Menschen umgeht? „Genau so ist es. Ich muss aber sagen, dass ich viele Jahre lang einen guten Lehrer [Pit Beirer] hatte und so vieles über diese Seite des Jobs erfahren konnte.”
Viele sehen in Pit einen starken, temperamentvollen Typen, der seine Arbeit mit viel Leidenschaft macht. Gibt es Situationen, an die du anders herangehst und die du anders löst? Ihr habt schließlich einen unterschiedlichen Charakter … „Na klar. Pit ist grundsätzlich eher der ‚alles-oder-nichts‘-Typ und genau das macht ihn so stark. Unser Engagement und unsere Motorsportabteilung sind mittlerweile gleichermaßen auf eine gewaltige Größe angewachsen und verlangen demnach auch nach dieser Art des Managements. Wir sind nicht bei jeder einzelnen Entscheidung einer Meinung, meistens aber – wenn ich noch einmal darüber nachdenke – verstehe ich, warum er einen gewissen Weg einschlägt. Natürlich ist nicht jede klitzekleine Entscheidung perfekt, am Ende aber stellt sich heraus, dass er Recht hatte. Ich versuche, so viel wie möglich mitzunehmen und Entscheidungen so zu treffen, wie auch er sie treffen würde. Meine Persönlichkeit ist anders als seine, ich treffe Entscheidungen aber im Interesse des Unternehmens und so, wie Pit es haben möchte, und nicht nur auf Basis dessen, was ich denke …“
Pit Beirer (GER) & Robert Jonas (AUT) East Rutherford (USA) 2016
Was ist der härteste Teil deines Jobs: jungen Fahrern mitzuteilen, dass ihr Vertrag nicht verlängert wird, oder vielleicht die Zusammenarbeit mit einem Team nach mehreren Jahren zu beenden? „Beides. Das ist ungemein schwierig. Es ist auch nicht einfach, zu sagen ‚tut mir leid, aber wir haben momentan nichts für dich‘, wenn jemand bei uns anfragt. Am härtesten wird es, wenn du jungen Fahrern eine Chance gibst und dann siehst, dass sich die Sache nicht so entwickelt, wie es beide Seiten gehofft hatten: Irgendwann musst du dann eine Entscheidung treffen. Dann wird dir klar, dass du einem jungen Menschen einen großen Traum in den Kopf gesetzt hast, es aber einfach nicht funktioniert. Der Traum ist immer noch da und du fühlst dich dann verantwortlich dafür, dass er sich nicht erfüllt hat. Mit solchen Dingen habe ich große Mühe. Das ist eine der schwierigsten Facetten meines Jobs.”
Da müssen einige Emotionen mitspielen, denn für jeden Sieg und Titel wurden Chancen verpasst – man denke nur an Max Nagls Verletzung, die er sich, die MXGP-Gesamtwertung anführend, 2015 zuzog – oder anderes Potential nicht verwertet … „Es gibt immer so kleine Episoden und ganz sicher liegen Glück und Enttäuschung sehr nah beieinander und es kann sogar zu Tragödien [Todesfall in der EMX85-Europameisterschaft] kommen, wie wir in Loket [Großer Preis von Tschechien] dieses Jahr gesehen haben. So etwas bringt dich auf den Boden der Realität zurück. Alle Enttäuschungen und Niederlagen sind Teil des Ganzen und man muss sich mit ihnen auseinandersetzen. Natürlich ist es schwierig, eine Situation wie bei Max zu meistern, in der ein kleiner dummer Zwischenfall einen Traum beendet, und ich hatte viel Mitleid mit ihm und dem Team. Ich bin mir aber nicht sicher, ob so ein Unfall schlimmer ist, als wenn ein Fahrer seine Motivation verliert und du dein Bestes gibst, das Problem zu lösen und es einfach nicht hinhaut. Ich versuche immer, Probleme zu lösen und Dinge zu regeln.“
Trotzdem muss es für dich immer wieder ziemlich große ‚Hochs‘ geben. Du hast die Chance, Tony Cairoli oder Jeffrey Herlings dabei zuzusehen, wie sie an einem Wochenende einen Grand Prix gewinnen, und dann in die USA zu fliegen, um dabei zu sein, wenn Ryan Dungey seine erste Meisterschaft gewinnt … „Stimmt. Ich wuchs praktisch in der Welt des Rennsports auf und im Leben meines Vaters drehte sich alles um Motorräder. Ich hatte mein erstes mit fünf und so begleiten mich Motorräder/das Motorradfahren/Motocross schon mein ganzes Leben. Es ist für mich unglaublich, dass ich auf der höchsten Stufe des Sports arbeiten kann, und ich genieße jede Sekunde davon. Ich bin mir dessen bewusst, dass es eine Ehre und ein Vergnügen ist, mit Roger de Coster arbeiten zu dürfen. Leuten wie etwa Ryan beim Rennfahren und Siegen zusehen zu dürfen und ein Teil ihres Erfolgs zu sein, ist schon sehr cool.“
Ryan Dungey (USA) & Team KTM 450 SX-F Las Vegas (USA) 2017
Während sich das ganze Unternehmen über Siege freut, geht es für Pit und dich wohl tiefer – schließlich seid ihr es, die Teams, Fahrer und KTM zusammenbringen … „Ja, das stimmt natürlich. Trotzdem geht jeder Errungenschaft eine Herausforderung voran. Du nimmst sie an, baust etwas auf und vielleicht läuft es am Anfang nicht wie geplant, aber schlussendlich bringst du es ins Rollen und es ist ein unbezahlbares Gefühl, wenn dann Siege oder sogar ein Titel dabei herauskommen.“
Beispiele von Fällen, wo ihr alles richtig gemacht habt, gibt es viele – die KTM 350 SX-F, Cairoli & De Carli, Herlings & MX2, Dakar, De Coster und die USA und so weiter – aber erzähl uns doch von einem Beispiel, bei dem die Pläne und Strategien nicht aufgegangen sind. Wäre etwa das ‚Big Team‘-Experiment mit Tortelli und Pichon im Jahr 2006 so ein Beispiel? Oder das Husqvarna-Moto3-Projekt? „Das ist eine schwierige Frage. Anfänglich war das Moto3-Projekt von Husqvarna vielversprechend. Aki [Ajo] leistete gute Arbeit und wir hatten das Gefühl, dass alles gut läuft. Es ging um Aufmerksamkeit für die Marke und das hat auch ganz gut funktioniert. Im zweiten Jahr funktionierte es nicht mehr und ich war nicht mehr davon überzeugt, dass wir die beste Entscheidung getroffen hatten. Insofern ist es vielleicht ein gutes Beispiel. Das Motocross-Team [des Jahres 2006] war zu 100 % eine Lernerfahrung und vielleicht ein typisches Beispiel für den Ansatz von KTM, bevor Pit die Zügel in die Hand nahm. Uns war klar, dass es eigentlich nicht funktionieren konnte, einfach nur teure Fahrer einzukaufen und Siege zu erwarten – egal welches Material sie zur Verfügung gestellt bekämen. Du musst auch ein gutes Bike, ein gutes Team und eine perfekte Organisation haben, bevor du solche Projekte angehst. Und genau das haben wir daraus gelernt.“
Wie ist es, Geschäfte auszuhandeln? Viele Leute sind sich darüber bewusst, wie viel Geld KTM in den Rennsport investiert, haben aber keine Ahnung davon, innerhalb welcher Grenzen du agierst …„Genau, und speziell bei den Fahrern erleben wir alle möglichen Situationen. Es gibt Fahrer, die um jeden Preis ins Team kommen wollen, und andere, deren Manager nur dem Geld nachlaufen. Den Managern mancher Fahrer ist die Qualität eines Angebots wichtig, anderen wiederum ist das völlig egal. Uns sind auf jeden Fall jene lieber, die zu schätzen wissen, was wir aufgebaut und zu bieten haben, und für die der Erfolg an erster Stelle steht.“
Jeffrey Herlings (NED) & Pit Beirer (GER) Munderfing (AUT) 2016
In deinem Job musst du doch sicher auch mit vielen Mitarbeitern sprechen und dich mit ihnen beschäftigen, von Mechanikern bis zu Managern wie Joel Smets und Antti Pyrhonen. Macht es dir auch Spaß, selbst mit Fahrern zu interagieren und gute Beziehungen mit ihnen zu pflegen, oder hältst du dich eher im Hintergrund und überlässt das lieber anderen? „Das kommt ganz auf den jeweiligen Fall an. An einem Renntag ist keinem damit geholfen, dass du dich zu sehr mit den Fahrern beschäftigst, da ein Fahrer meist so mit dem Team und seinen Prozessen vertraut ist, dass du nicht einfach daherspazieren und den ‚Schlaumeier‘ spielen kannst, der Ideen einzubringen versucht. Ich fühle mich vielmehr dafür verantwortlich, auszuhelfen, wenn Probleme entstehen. Ich greife nie in Prozesse ein, die gut funktionieren – und keiner Intervention bedürfen – aber wenn etwas nicht so gut hinhaut, versuche ich, so gut es geht zu helfen und Unterstützung zu bieten. Manchmal muss man den Retter in der Not spielen!“
Fühlst du dich manchmal wie eine väterliche Figur? Besonders, wenn ein Fahrer an seiner Form oder einer Verletzung zu knabbern hat? „Natürlich. Aufgrund der schieren Dimensionen des orangen und weißen Rennengagements ist es nicht einfach, mit allen Fahrern persönlich in Kontakt zu stehen, wir versuchen es aber. Ein gutes Beispiel ist [MX2-Fahrer] Davy Pootjes. Er hatte ein besonders hartes Jahr und ich hoffe, dass seine nun schon lange andauernde Pechsträhne jetzt zu Ende ist.“
Denkst du, dass manche Leute in deiner Umgebung ängstlich sind? Du bist schließlich ein Mitglied des Top-Managements. Könnte es da nicht sein, dass junge Menschen etwas eingeschüchtert sind? „Das glaube ich nicht. Ich spüre keine solchen Emotionen bei den Fahrern und auch keine Berührungsängste. Außerdem bin ich, glaube ich, eine recht umgängliche Person. Es ist wahr, dass man [im Management] umso mehr Respekt bekommt, je höher man kommt, und ich sehe Pit als einen Menschen, den viele Leute respektieren, aber ich glaube nicht, dass das für ihn ein Problem darstellt.“
Robert Jonas (AUT) & Stefan Pierer (AUT) Munderfing (AUT) 2016
Du hast eng mit Pit zusammengearbeitet, dann die ‚weiße Marke‘ angeführt und hast schließlich wieder eine zentralere Position bei der Rennabteilung von KTM und Husqvarna Motorcycles eingenommen. Wo wird dich der nächste Abschnitt deiner Geschichte hinführen? „Ehrlich gesagt habe ich nie absichtlich eine Richtung eingeschlagen, um eine Karriere in dieser Branche aufzubauen. Es geschah, als ich mit Pit arbeiten durfte. Damals wusste ich wahrscheinlich nicht einmal ganz genau, wohin mein Job führen würde und wie er sich entwickeln würde. Viele Jahre lang gaben wir unser absolut Bestes, um etwas aufzubauen – mein Leben und meine Arbeit drehten sich nur darum. Ich hatte nie die Absicht, alles zu übernehmen oder für einen Sport verantwortlich zu sein. Unsere Bemühungen waren auf Erfolg ausgerichtet und dieses Ziel habe ich in jeder Position verfolgt. Die Verantwortung für Husqvarna zu übernehmen, war wirklich toll, weil wir das Projekt sozusagen von Grund auf neu gestalteten. Herr Pierer gab uns den Auftrag dazu, und ich hatte die ehrenvolle Aufgabe, Husqvarna zu repräsentieren und für ein paar Jahre das Gesicht dieser Marke zu sein. Es würde mir definitiv wehtun, wenn ich etwas aufgeben müsste, mit dessen Aufbau wir viel Zeit verbracht haben, und glücklicherweise war das nicht der Fall. Ich leite jetzt die Offroad-Rennabteilung – und das gefällt mir. Ich konnte mich nicht zwischen beiden Marken entscheiden; es gab gleich gute Argumente für beide, es war also eine weitere gute Entscheidung von Pit, mich ein paar Jahre lang diese Position bekleiden zu lassen, weil es bedeutet, dass wir uns auch gut um Husqvarna kümmern werden.“
Kommst du gut mit Zahlen klar? Das Ausfüllen und Organisieren eines Budgetplans muss dir doch Kopfschmerzen bereiten … „Ja, am Anfang der ‚Budgetplanungs-Saison‘ kann es ein bisschen chaotisch werden, aber wir haben wirklich gute Leute in unserer Abteilung, die uns großartig unterstützen, und viele wichtige Budgetentscheidungen werden von Pit getroffen, da er ziemlich gut mit Zahlen ist; das ist ganz klar eine seiner Stärken!“
Eine letzte Frage: Im Rennsport sehen wir immer wieder Generationswechsel. Ryan hat aufgehört, Roger und Tony Cairoli werden älter, Fahrer kommen und gehen. Ist es für dich und Pit bereits an der Zeit, euch hinzusetzen, neue Pläne zu machen und neue Strategien zu entwickeln? „Natürlich kann man sich nicht einfach hinsetzen, sich zurücklehnen und zusehen, wie die Dinge laufen. Ryans Entscheidung zeigt, dass manches schneller zu Ende sein kann, als du erwartest. Glücklicherweise stehen die nächsten Jungs bereits in den Startlöchern, sogar in Amerika. Es sieht so aus, als hätte Ryan gar kein so großes Loch hinterlassen. Denn sowohl Marvin als auch Jason Anderson machen ihre Sache wirklich gut. Wenn sie an einigen ihrer kleinen Schwachstellen arbeiten, können sie nächstes Jahr wieder sehr gut sein und einen weiteren Titel holen. Solange wir Typen wie die beiden haben, gibt es nicht zu viel zu befürchten. Aber ja, es gibt einen Generationswechsel und das wird auch immer so sein. In Europa haben wir ja noch Tony, aber wir wissen nicht, wie lange noch. Ich glaube aber, dass er noch lange nicht mit dem Rennsport fertig ist. Jeffrey ist so hungrig, wie er es nur sein könnte. Das MX2-Programm ändert sich schnell, weil die Jungs aufsteigen müssen, wenn sie zweimal gewinnen oder das Alter von 23 Jahren erreichen. Man muss immer einfach weiterarbeiten und planen, sogar für ein paar Jahre im Voraus. Zu weit in die Zukunft zu planen kann aber mitunter schwierig sein, weil die Fahrer sich sehr unterschiedlich entwickeln.“
Tony Cairolis KTM 450 SX-F Villars sous Écot (FRA) 2017
Fotos: KTM
Comentários