1974 – Richard Nixon trat wegen der Watergate-Affäre zurück, die Ölkrise prägte das Wirtschaftsgeschehen und machte erstmals deutlich, wie abhängig wir vom Öl sind. Der Disco-Sound eroberte die Welt und das sportliche Highlight des Jahres war der „Rumble in the Jungle”, als Muhammad Ali beim Box-WM-Kampf in Zaire George Foreman K.O. schlug. Und auch KTM, damals noch ein recht junger Motorradhersteller, konnte seine erste Weltmeisterschaft erringen. Ein Titel, dem im Laufe der Jahre noch unzählige weitere folgen sollten.
Der erste käufliche „Production Racer” für Motocross-Rennen wurde in Mattighofen zwar schon 1968 gebaut, allerdings konnte die „Penton 125″ nur in nationalen Rennen eingesetzt werden, weil es die Achtelliter-WM erst ab 1975 gab. Die Möglichkeit, erstmals Luft bei Weltmeisterschaftsläufen zu schnuppern, ergab sich, als 1971 der neue Sechsgang-Sportmotor mit 250 ccm einsatzbereit war. Das Premierenjahr in der Viertelliter-Klasse wurde zwar mit einigen WM-Punkten belohnt, aber schnell war klar, dass gegen die dominierenden schwedischen, tschechischen und neuerdings auch japanischen Hersteller mit ihren hochbezahlten Spitzenfahrern nur dann eine reelle Siegchance bestand, wenn auch KTM mit einem Weltklassefahrer im Kampf um die WM-Krone mitmischen würde. Allerdings hatten die belgischen und schwedischen Fahrerstars schon damals ihren Preis, der weit oberhalb des KTM Sportbudgets lag. Firmenchef Erich Trunkenpolz wollte die Teilnahme aber nicht nach der olympischen Devise „dabei sein ist alles ” organisieren, vielmehr sannen die Männer der Mattighofener Sportabteilung nach einer siegverdächtigen Alternative.
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Erich Trunkenpolz 1970
Rückblick: Anfang der 70er Jahre befand sich die Welt mitten im kalten Krieg. Auch im Motorsport war unübersehbar, dass es hier um einen prestigeträchtigen Schlagabtausch zwischen Ost und West ging – der Offroadsport war quasi zur motorsportlichen Frontlinie geworden. Besonders deutlich wurde dies bei den Sechstagefahrten, wo von 1961 bis 1978 ausschließlich Mannschaften aus der DDR, (West-) Deutschland und der CSSR auf heimischen Fabrikaten die Trophy gewinnen konnten.
Hunderte Geschichten, mit denen man ganze Bücher füllen könnte, gibt es aus dieser Zeit. Unvergessen beispielsweise ein titelverdächtiger Straßenrennfahrer aus der DDR, der beim Großen Preis von Schweden über die Leitplanke hüpfte, nachdem sein Motor festgegangen war. Nur ein Jahr später holte er sich auf einem japanischen Fabrikat die WM-Krone.
Irgendwie müsste es doch zu schaffen sein, einen Fahrer von jenseits des eisernen Vorhanges mit einer KTM in der Motocross-WM starten zu lassen …
Schon 1972 war den Sportbetreuern aufgefallen, dass es im sowjetischen 250er Team einige sehr talentierte Fahrer gab, die aber auf ihren tschechischen Maschinen kaum Siegchancen hatten. Der sowjetische Trainer wurde bei einem WM-Lauf dann, wie die Legende es berichtet, von einem KTM Betreuer aus einem Gebüsch heraus angesprochen, ob seine Leute nicht einmal die KTM ausprobieren wollten. Wie der Zufall es wollte, wurden in der Nacht die Maschinen der Russen aus dem Fahrerlager gestohlen – da kam das Angebot von KTM natürlich wie gerufen, wenn man nicht unverrichteter Dinge wieder heimreisen wollte. Und als Vladimir Kavinov dann am Ende noch einen Platz auf dem Stockerl errang, war auch der Widerstand der Politkommissare gebrochen. Fortan entwickelte sich die 250er KTM unter den sowjetischen Fahrern zum Favoritenschreck in der Viertelliterklasse.
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Moissev KTM MC 250 Leningrad 1974
Die Sensation folgte beim WM-Lauf 1974 im spanischen Sabadell-Tarrasa. Gennady Moiseev aus St. Petersburg, einer der russischen KTM Werksfahrer, gewann für viele überraschend den Auftakt zur neuen WM-Saison. Die Saison entwickelte sich dann zu einem spannenden Dreikampf zwischen KTM, den Tschechen und den Japanern. Beim Endlauf im schweizerischen Wohlen stellte sich Jaroslav Falta, Moiseevs einziger verbliebener Konkurrent im Kampf um die WM-Krone, durch einen Frühstart selbst ein Bein und Moiseev gewann verdient die erste Weltmeisterschaft für KTM.
KTM MC 250 Moissev
Noch zweimal – 1977 und 1978 – konnte der St. Petersburger Sportlehrer die Viertelliter-WM für KTM gewinnen.
Doch damit nicht genug. Auch im Endurosport gab es den ersten internationalen Titelgewinn für KTM. Der Italiener Imerio Testori gewann die Halbliter-Europameisterschaft (die Enduro-WM gibt es erst seit 1990) und beendete damit die langjährige Dominanz der DDR- und CSSR-Fabrikate.
Die Erfolge von Moiseev und Testori waren der Grundstein für eine mittlerweile 40 Jahre andauernde Erfolgsgeschichte. Mit 27 Motocross-Weltmeisterschaften und 62 Titelgewinnen im Endurosport ist KTM, mittlerweile der zweitälteste Motorradhersteller im deutschsprachigen Raum, die erfolgreichste Offroad-Marke der Welt.
Fotos: ktmimages.com
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