Der KTM BLOG sprach mit dem Südafrikaner Brad Binder. Dem Mann, den es in dieser Moto3-Saison zu schlagen gilt …
Ein Blick auf die Ergebnislisten der Moto3-Rennen genügt. Die kleinste Grand Prix-Klasse bietet die perfekten Rahmenbedingungen für junge, aufstrebende Talente; viele der Youngster stammen aus Südeuropa. Italiener und Spanier sind die dominierenden Nationen in der MotoGP. Der Südafrikaner Brad Binder (und sein zwei Jahre jüngerer Bruder Darryn) ist in dieser Sportart eher die Ausnahme und doch ein weiterer Hoffnungsträger im Red Bull KTM-Team (das in den vergangenen Jahren der Startpunkt für die Rennkarrieren von Deutschen, Portugiesen, Australiern, Tschechen und Malaien war). Ein weiteres herausragendes Merkmal des 20-Jährigen ist die Dominanz, mit der er 2016, seiner insgesamt fünften Saison im GP, unterwegs ist. Von einer unglaublichen und denkwürdigen Leistung in Jerez, wo er vom letzten Startplatz aus ins Rennen ging und dennoch seinen ersten Karrieresieg feierte – und damit eine 35-jährige südafrikanische Durststrecke beendete – über das Gedränge in Mugello bis hin zum Zweikampf in Le Mans; Brad war bisher der Mann, den es auf seiner orange-schwarzen KTM RC250 GP zu schlagen galt, und hat sich damit zu einem Titelanwärter und aufgehenden Star der Szene entwickelt.
Brad Binder (RSA) 2016
Als netter, offener und selbstbewusster Gesprächspartner, der immer ein Lachen im Gesicht hat, ist Brad ein angenehmer Zeitgenosse. Obwohl er 2016 wahrscheinlich mehr Interviews geben und mehr Anfragen bearbeiten musste, als in seiner gesamten bisherigen MotoGP-Laufbahn. Wir wollten wissen, inwiefern sich das Leben der Nummer ‘41’ verändert hat und welche nächsten Karriereschritte anstehen …
Dein Leben hat sich in letzter Zeit ganz schön verändert, oder? Nach den Wintertests hatten dich zu Saisonbeginn viele Leute auf dem Zettel, wenn es um mögliche Titelanwärter 2016 ging … „Seit Jahresbeginn laufen die Dinge ziemlich gut. Von Anfang an habe ich mich bei den Tests schnell gefühlt, das lag vor allem an einer unproblematischen Winterpause und hartem Training. In Katar habe ich ein gutes Rennen gezeigt und hätte fast gewonnen, Argentinien war großartig, aber durch die schwierigen Bedingungen konnte ich nicht das Ergebnis einfahren, das ich wollte, und die restlichen Rennen liefen super …“
Erzähl uns ein bisschen über deine Winterpause … „Ich habe die ganze Zeit zu Hause in Südafrika verbracht. Da dort Sommer war, hatte ich die perfekten Wetterbedingungen für mein Training und konnte jeden Tag Motorrad fahren. Ich trage nur Shorts … in meinem Kleiderschrank findet sich keine Hose! Ich habe an meinem Rhythmus kaum etwas verändert, deshalb fühlte es sich für mich nicht wirklich wie eine Pause an. Ich habe jeden einzelnen Tag trainiert, um mein Fitnesslevel zu halten, so dass ich mir nicht erst wieder ein gewisses Level erarbeiten muss. Ich habe auf mein Level vom letzten Jahr aufgebaut; wenn du richtig Urlaub machst, verlierst du an Kondition und musst anschließend härter arbeiten. Das habe ich gemeint: Ich habe mich ab dem ersten Tag dieser Saison stark gefühlt.“
Geht es dabei auch um den richtigen Zeitpunkt in deinem Leben? Denkst du manchmal ‘Ich wünschte, ich hätte das schon zwei Jahre vorher gemacht’? „Vor zwei Jahren habe ich schon genauso hart trainiert, aber der Unterschied ist, dass ich jetzt mehr Erfahrung habe und ein unglaubliches Team hinter mir steht, das mir ein perfektes Bike bereitstellt. Und wir haben unsere Arbeitsweise und Herangehensweise an den Wochenenden umgestellt.“
Brad Binder (RSA) KTM RC250 GP 2016
Was ist mit dem mentalen Effekt? Es scheint, als wärest du nach dem Rennen in Jerez fast unbesiegbar … „Ich würde es bestimmt nicht Unbesiegbarkeit oder so nennen! Ich wusste immer, dass ich in der Lage war, in Jerez zu gewinnen, und es ging mir auf die Nerven, dass es mir nie gelungen ist. Oft war ich sehr nah dran, aber am Ende hat es nie gereicht. Als mir dann endlich der erste Sieg gelang – und sich vielleicht diese spezielle Mentalität entwickelte – fühlte es sich an, als würde etwas fehlen. Es war komisch. Ich glaube, ich habe in Jerez viel Selbstvertrauen gewonnen, als wäre mir eine Last von den Schultern gefallen. Hoffentlich kommen in Zukunft noch mehr Erfolge dazu.“
„Ich glaube, ich habe in Jerez viel Selbstvertrauen gewonnen, als wäre mir eine Last von den Schultern gefallen. Hoffentlich kommen in Zukunft noch mehr Erfolge dazu.“
Was hast du am Montag nach dem Rennen gemacht und wie hast du dich gefühlt? „Ich habe eigentlich nichts gemacht! Ich habe nach dem Rennen mit dem Team gesprochen, zusammengepackt und bin acht Stunden nach Hause gefahren.“
Bist du gefahren wie Superman? „Haha, nicht wie Superman … und es hat bis Montag gedauert, bis ich alles realisieren konnte. Das kam erst, nachdem ich aufgestanden war und mir nochmal das Rennen angeschaut hatte. Erst da habe ich gedacht ‘das war ziemlich cool’.”
Ich kann mir vorstellen, du hättest es am liebsten gleich nach dem Rennen gesehen! „Ja, aber ich hatte acht Stunden Heimfahrt vor mir! Als ich dort ankam, war ich einfach nur fertig und wollte schlafen. Bis zum Rennen in Le Mans hat mein Handy gar nicht mehr aufgehört zu klingeln. Am nächsten Wochenende habe ich es ausgeschaltet … es kamen so viele Nachrichten. Das soll nicht heißen, dass es keine großartige Erfahrung ist und die Unterstützung, die ich auch aus Südafrika erhalte, ist einfach unglaublich.“
Brad Binder (RSA) 2016
Findest du es manchmal schade, dass deine Freunde und Familie soweit weg ist, wenn du solche Meilensteine wie in Jerez erreichst? „Ja, ich habe immer gedacht, dass es für die Europäer viel einfacher ist, denn sie können jedes Wochenende nach Hause fahren und im Grunde ändert sich für sie nichts. Wenn ich jedes Mal zu meinen Freunden nach Südafrika fliegen würde, könnte ich mich nicht in gleicher Weise auf den Sport konzentrieren. Wenn ich in Europa oder Spanien bin, lebe ich für den Sport. Ich trainiere die ganze Zeit, esse gesund und versuche, einfach alles richtig zu machen; es gibt nicht wirklich viel Ablenkungen. Wenn ich zu Hause bin, gibt es immer etwas zu tun. Es wäre schön, nach Hause zurückzugehen, aber auf der anderen Seite, weiß ich auch um die Vorteile in Europa!“
„Wenn ich in Europa oder Spanien bin, lebe ich für den Sport.”
Das klingt, als hättest du zwei Leben … „Ja, das stimmt! Wenn ich zu Hause bin, geht mein normales Leben weiter, in Europa bin und fühle ich mich ein bisschen anders.“
Hast du dich am Anfang, bei dem Versuch, diesen Spagat hinzubekommen, manchmal ein bisschen verloren gefühlt? „Ich hatte damit seit 2012 bis zum letzten Jahr zu kämpfen. Ich würde sehr gerne jedes Wochenende nach Hause fahren, aber es ist unmöglich und etwa zu Saisonhalbzeit stößt man an seine Grenzen. Im Moment laufen die Dinge gut; ich habe eine paar Freunde in Spanien und das Leben dort ist ziemlich entspannt. Dadurch kann ich mich ausschließlich auf meinen Job konzentrieren.“
Brad Binder (RSA) KTM RC250 GP 2016
Wo lebst du? „In der Nähe von Benidorm. Ich hatte einen Kumpel, James Flitcroft, der im Red Bull MotoGP Rookies Cup gefahren ist. Er lebte dort und nach einem Rennen habe ich ihn besucht, um mir das Haus anzuschauen und dort war einfach alles britisch! Es war so einfach, denn ich sprach damals kein Wort Spanisch. Nach ein paar Jahren, konnten wir uns ein eigenes Haus leisten, das mittlerweile zu einem zweiten Zuhause geworden ist.“
Wie beschäftigst du dich in deiner Freizeit abseits des Rennsports? „Ich verbringe ziemlich viel Zeit vor dem Fernseher! Meine tägliche Routine beginnt nach dem Aufstehen mit einer Runde Rennradfahren, zum Mittagessen bin ich wieder daheim und nachmittags trainiere ich im Fitnessstudio. Gegen Abend, wenn alle ihre Arbeit beendet haben, treffe ich mich mit Freunden. Ich versuche, eine gute Balance zu finden. Ich liebe Motorradfahren und die Rennen, aber ich genieße es auch, mich außerhalb der MotoGP-Szene zu bewegen, mich mit Freunden zu treffen und Supermoto zu fahren, das ist das beste Training für meinen Job.“
Wir sprachen über Lebensveränderungen; in den nächsten Monaten werden noch ein paar neue Dinge auf dich zukommen: noch mehr Scheinwerferlicht als Weltmeisterschaftsführender, mehr Presseanfragen, mehr Aufmerksamkeit … „Ich habe das bereits bei den letzten paar Rennen gespürt; es waren mehr Interviews und Anrufe als normal oder wenn ich in Südafrika bin. Am Anfang war es schon etwas verrückt, aber es ist einer der Aspekte, die ich positiv sehe. Ich mache offensichtlich etwas richtig, wenn all diese Menschen mit mir sprechen möchten. Wenn das aufhört, werde ich anfangen, mir Sorgen zu machen!“
„Ich mache offensichtlich etwas richtig, wenn all diese Menschen mit mir sprechen möchten. Wenn das aufhört, werde ich anfangen, mir Sorgen zu machen!“
Beginnst du bereits damit, dir einen Plan zurechtzulegen? Oder hast du sowieso immer einen? Nehmen wir Jack Miller; er ist aus diesem Team auf der Überholspur in die MotoGP aufgestiegen … und vielleicht kann man mittlerweile sogar sagen, es ist ein warnendes Beispiel … „Ich weiß es nicht genau und ich bin mir todsicher, dass ich kein Angebot eines MotoGP-Teams erhalten werde! Ich denke aktuell in kleinen Schritten, von Tag zu Tag, denn es ist noch zu früh, um sich wirklich Gedanken über die Weltmeisterschaft zu machen. Die Dinge können sich schnell ändern, das einzige, was ich machen kann, ist 100% geben und wenn wir bei Saisonrennen 15 oder so sind, mache ich mir Gedanken um die Meisterschaft.“
Zu diesem Zeitpunkt, vermute ich, würdest du dann aber schon wissen wollen, wie es für dich in den nächsten ein oder zwei Jahren weitergeht … „Natürlich werde ich zu diesem Zeitpunkt eine genauere Vorstellung von meiner Zukunft haben … aber ich werde definitiv aufsteigen. Fest steht, dass ich nicht in der Moto3 bleiben werde.“
„Fest steht, dass ich nicht in der Moto3 bleiben werde.“
Ist es für dich als Südafrikaner schwieriger, in diesem Sport erfolgreich zu sein? „Das würde ich nicht sagen, aber ich denke, dass es für Nicht-Europäer schwerer ist, überhaupt in den GP zu kommen. Jetzt, wo ich im Fahrerlager angekommen bin, denke ich, dass die MotoGP einen Südafrikaner will. Ich würde nicht sagen, dass sie einen braucht, aber je mehr Nationalitäten, desto besser. Das ist auch für den Sport positiv, denn ich erlebe die Unterstützung, die ich von zu Hause erhalte. Die Zahl an Südafrikanern, die jeden Sonntag die MotoGP-Rennen verfolgt, ist Wahnsinn.“
Brad Binder (RSA) KTM RC250 GP 2016
Zurück zu Jerez: War das so etwas wie eine außerkörperliche Erfahrung? Dein fahrerisches Niveau an diesem Tag war so unglaublich hoch … „Nein, auf keinen Fall! Ich bin Jerez genauso angegangen wie jedes andere Rennen und ich habe mich das ganze Wochenende über einfach wohl gefühlt. Ich habe auch noch erwartet, ein gutes Rennen zu fahren, nachdem man mir 20 Minuten vor dem Start sagte, dass ich vom letzten Platz losfahren müsste. Selbst da war ich mir noch sicher, es bis aufs Podium schaffen zu können. Ich habe nicht im Traum daran gedacht, das Rennen zu gewinnen, aber ich wusste, ich konnte nah dran sein.“
Es war einer der beeindruckendsten ersten Siege überhaupt und das ist angesichts der Geschichte, mit all den Rennen und Fahrern im GP, etwas besonderes. Beschäftigt dich das manchmal? Denkst du über das Erreichte nach? „Manchmal denke ich, ‘das war ziemlich cool …’. Ich musste lange auf meinen ersten Sieg warten, aber als es dann soweit war, war es etwas Besonderes. Etwas, das man niemals vergisst. Ich hatte immer das Gefühl, dass ich in Jerez gewinnen könnte und habe das in der Startaufstellung auch dem Team gesagt; Aki sagte nur ‘Whoah! Lass es ruhig angehen, es ist nur ein weiteres Rennen, versuch Punkte einzufahren’. Ich glaube in der zweiten Runde war ich schon auf Patz 15 und die Gruppe war eng beisammen, von daher wusste ich, dass es keine große Aufgabe werden würde, aufs Podium zu fahren.“
Scheust du dich nicht davor, so etwas zu sagen? Zu behaupten: „Ich kann das gewinnen …“, obwohl du letzter in der Startaufstellung bist … „Ich hätte das zu niemandem gesagt, der es hätte irgendwo veröffentlichen können, aber ich denke meine Mechaniker und mein Crew Chief hatten das gleiche Gefühl. Im dritten freien Training war ich eine gute halbe Sekunde schneller als alle anderen und konnte diesen Rhythmus auch über die Renndistanz von 23 Runden gehen, von daher war es nicht unmöglich, auf die Jungs an der Spitze aufzuholen. Im Rennen habe ich nichts anders gemacht als im dritten freien Training und die Rundenzeiten waren nur ein bisschen langsamer; die Zeiten der anderen haben sich nicht verändert. Das Entscheidende war, dass ich so viel Vertrauen in mein Bike hatte, mit dem ich von Runde 1 bis 23 die gleichen Zeiten fahren konnte. Bei allen anderen wurden die Zeiten bei noch acht zu fahrenden Runden langsamer, aber ich war noch bei 100% wie in der ersten Runde.“
Brad Binder (RSA) & Red Bull KTM Ajo Moto3 Team 2016
Fotos: CormacGP
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