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Exklusiv-Interview mit Stefan Pierer, Teil 1

KTM CEO Stefan Pierer gab dem KTM-Blog ein Interview, das wir in drei Teilen gesplittet veröffentlichen. Im ersten Teil erzählt der Österreicher von den frühen Anfängen seiner Zeit bei KTM und von Details, die über die Jahre dazu beitrugen, Europas größter Motorradhersteller zu werden.

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Wann war davon erstmals die Rede?

Stefan Pierer: Auf der Intermot-Messe in München 2002. Wir hatten dort die neue KTM Super Duke vorgestellt, auf der Pressekonferenz dazu habe ich mich erstmals dahingehend geäußert. Wir verzeichneten alljährlich beachtliche Zuwächse. Es war eine bewusst klare Ansage an die geschätzten Kollegen von BMW, die in der Halle nebenan waren, dass wir mit KTM die Nummer 1 in Europa werden wollen. Das hat jetzt zwar 10 Jahre gedauert, aber wir haben dieses Ziel am Ende erreicht.

Theoretisch könnten Sie als Unternehmer auch Kühlschränke produzieren. Ist Motorräder herzustellen und zu verkaufen für Sie etwas Besonderes?

Stefan Pierer: Das Gespür bei der Kreation neuer Motorräder ist ein wesentlicher Bestandteil. Ob es funktionieren wird und eine Chance am Markt hat. Etwa 60 % der Entscheidungen erfolgen aus dem Bauch heraus, 40% sind professionell bedingt, basieren also auf R&D, Innovation and Produktentwicklung. Dieses Einfühlungsvermögen macht einen großen Teil aus, und das funktioniert nur mit erstklassigen Mitarbeitern. Je mehr Kunden die Produkte ins Herz schließen, desto besser für die Marke.

Zum Erfolg von KTM trägt sicher bei, dass wir die Marke als extrem motivierte Gruppe wirklich leben. Deshalb spielt Racing eine so große Rolle, weil es Teil unserer Philosophie ist. Es ist wie im richtigen Leben, es wird einem nichts geschenkt, man muss sich anstrengen. Manchmal gewinnt man, manchmal nicht. Wenn es nicht geklappt hat, nimmt man das als Ansporn, sich beim nächsten Mal noch mehr Mühe zu geben. Wir glauben an KTM und die Qualität unserer Produkte. Für die Entwicklung neuer Produkte und das Wachstum der Firma ist eine gesunde finanzielle Basis natürlich wichtig. Aber die Erfahrungen und Erfolge, die einen ermutigen, den nächsten Schritt zu tun, um weiterhin erfolgreich zu sein, sind nicht zu  vernachlässigen. Das ist das Schöne am Motorsport: Nichts beflügelt mehr als gemeinsame Erfolge.


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Wer bei KTM beschäftigt ist, ist in der Regel auch sportlich orientiert. Woher stammt dieses Faible für Motorsport?

Stefan Pierer: Es gab von Anfang an eine Kerngruppe, der das Wohl von KTM als Sportmotorradhersteller sehr am Herzen lag. Heinz Kinigadner, der stark involviert war, zählt dazu dazu, ebenso Toni Stöcklmeier als damaliger KTM-Importeur in Deutschland. Beide haben mir sehr geholfen, die Company auf den richtigen Kurs zu bringen. Alles richtig zu verstehen, hat einige Jahre in Anspruch genommen. Mit dem Slogan »Ready to race« ist unser Erfolgsgeheimnis eigentlich trefflich umschrieben. Es gibt etliche, die den Kopf schütteln und sich über unser nimmermüdes Engagement wundern. Aber wir sind nun einmal gerne sportlich, der gemeinsame Erfolg ist unser Ansporn. Wenn man das einmal selbst erlebt hat, fällt es schwer, davon abzulassen.

Womit haben Sie sich beruflich beschäftigt, bevor Sie KTM übernahmen?

Stefan Pierer: Mein Kontakt zu KTM kam als Investor und Sanierer zustande. Ich kaufte damals bankrotte Firmen, restrukturierte diese oder verkaufte Teile gewinnbringend. Mein ursprünglicher Plan sah vor, KTM auf einen guten Weg zu bringen und mich dann davon zu trennen. Ich habe dann aber bald festgestellt, das es wohl sinnvoller wäre, die Firma zu behalten und selbst unternehmerisch tätig zu sein. Das hat geklappt, und inzwischen sind über zwei Dekaden verstrichen.


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Gibt es seine unterehmerische Linie, die sich durch die letzten 20 Jahre durchzieht?

Stefan Pierer: Wie bei jeder großen Firma ist vieles in Strategien eingebettet. Aber als Unternehmer gilt es je nach Situation auch spontan zu handeln. Man verschafft sich einen Überblick, sammelt alle möglichen Informationen, wiegt Pro und Contra ab und trifft am Ende eine Entscheidung. Unser erster Schritt mit KTM waren qualitative Verbesserungen im Endurobereich, wo wir schon Anfang der 90er Jahre recht erfolgreich unterwegs waren. Design war grundsätzich ein wichtiger Aspekt, hier war Gerald Kiska einer der Schlüsselfiguren, der vom Restart an mitgewirkt hat. Kiska ist nicht nur als Designer wertvoll, sondern auch als Motorradfahrer, der das richtige Feeling mitbringt und das Produkt grundsätzlich richtig versteht. Schliesslich muss ein Motorrad nicht nur gut aussehen, sondern immer auch gut funktionieren.

Die Enduro-Zielrichtung, die wir einschlugen, kam gut an und funktionierte. Als nächstes entschieden wir uns, im Motocross anzugreifen. Damals setzen alle Zweitakter ein, die Japaner waren beinahe übermächtig, teilweise mischte Husquarna mit. Wir haben uns mit KTM dann für die große Klasse entschieden, allerdings mit einem Motor mit 380 Kubik Hubraum, weil die 500er schon damals eigentlich zuviel Leistung hatten. 1996 gewannen wir den WM-Titel in der großen Klasse mit Shayne King. Das hat mächtig für Wirbel georgt. Dieser Erfolg war wichtig und ein Durchbruch. Zur Jahrtausendwende hat Honda auf die Umstellung auf Viertakter gedrängt. Wir haben uns mächtig angestrengt, ein konkurrenzfähiges Viertaktkonzept zu entwickeln. Am Ende gab uns der Erfolg Recht, wir haben alle überholt und brachten es zur Nummer 1 im Motocross.

Danach haben wir uns gefragt, in welchem Bereich wir uns noch engagieren können. So kamen wir auf Supermoto, ein Trend, der aus Frankreich zu uns schwappte. Es fiel uns vergleichweise leicht, auch hier erfolgreich zu sein. Man musste vereinfacht gesagt eigentlich nur andere Reifen und Bremsen adaptieren. Mit unseren Supermoto-Kreationen schnupperten wir erstmals in Asphalt-Gefilde und bei Onroad-Bikes hinein, die Erfolge waren ermutigend. Ende der 90er Jahre ging KTM dann als AG an die Börse. So konnten wir die finanziellen Mittel für weiteres Wachstum aufstellen, und für ein neues Zweizylinder-Viertakt-Projekt, aus dem schließlich unser 990er Triebwerk entstehen sollte.

Als Offroad-Hersteller war es naheliegend, mit dem neuen Twin eine großvolunige Adventure-Enduro zu bauen. Das haben wir gemacht und mit Fabrizio Meoni 2002 erstmals die Dakar-Rallye gewonnen. Zurückblickend haben wir ein Segment nach dem anderen angegriffen und erobert. Natürlich haben wir auch Niederlagen verkraften müssen, aber eigentlich war unser Lernprozeß kontinuierlich und es ging wirtschaftlich stets bergauf, abgesehen von den schwierigen Krisenjahren. Inzwischen können wir On- wie Offroad ein komplettes Sportmotorrad-Programm anbieten, das von 125 bis demnächst 1290 Kubikzentimeter Hubraum reicht.

Welche Entscheidungen ragen als besonders wichtig heraus?

Stefan Pierer: Beste strategische Entscheidung war, KTM mit einem Partner zu verbünden. In diesem Fall also mit Baja aus Indien. Wir arbeiten seit 2006/2007 erfolgreich zusammen. Nach der Krise ist in Europa und auch in Amerika die Nachfrage nach Motorrädern mit mittlerem Hubraum gestiegen. Kleinere und vor allem preiswerte Bikes liegen im Trend. Der Zahl der Berufpendler steigt, die urbane Mobilität legt zu. Langfristig erwarte ich, dass diese Nachfrage weiter steigt. Auch wenn bei uns die jungen Fahrer in der Zahl eigentlich abnehmen. Das liegt an der demografischen Entwicklung, hängt aber auch damit zusammen, das die Einstiegshürden kostenseitig immer schwieriger zu nehmen sind, vor allem für junge Leute. Hinzu kommt, dass Eltern heutzutage ihren Nachwuchs in Watte packen und vor jedem Restrisiko schützen möchten. Als meine Generation aufwuchs, hat persönliche Mobilität selbstverständlich dazu gehört. Wenn man außerhalb wohnte, musste man einfach ein Moped oder Motorrad haben, um mobil zu sein und um dazu zu gehören. Das war vollkommen normal.


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KTM hat über die Jahre auch in anderen Bereichen Erfahrung gesammelt?

Stefan Pierer: Ja, etwa im ATV-Segment und in der Zusammenarbeit mit Polaris. Wir dachten, es würde ausreichen, das ATV mit der besten Performance auf den Markt zu bringen. Aber im ATV-Business läuft einiges anders als im Motorradbereich, das betrifft das Händlernetz ebenso wie die Käufermentalität. Deswegen sind wir nach einer Weile ausgestiegen. Danach haben wir im Sportscar-Segment erfolgreich etwas Neues probiert, mit dem X-Bow, auch wenn wir damit unglücklich in die Krisenjahre hineingestartet sind. An den Investments wird festgehalten, aber es zählt nicht zum Kerngeschäft wie die Motorradfabrikation.

Ihr nächstes Ziel?

Stefan Pierer: Unser Ziel für die nächsten zehn Jahre ist, der erfolgreichste Sportmotorradhersteller weltweit zu werden. Vor diesem Hintergrund muss man wissen, das derzeit Harley Davidson 210.000 Einheiten jährlich absetzt. Bei den Stückzahlen, alle kleine Maschinen mitgerechnet, liegt Honda natürlich an der Spitze. Aber wenn es nur um großvolumige Motorräder über 125 Kubik geht, hat weltweit Harley die Nase vorn. Diese einzuholen und zu übertrumpfen wird unser nächstes Ziel sein.


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