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Dramatik: 8 H Oschersleben mit Schittko-KTM

Der Endurance-Rennsport ist eine Achterbahn der Gefühle, voller Höhen und Tiefen, und wenn etwas sicher scheint, dann nur, das man nie weiss, was im nächsten Moment passiert. Vergangenes Jahr brauste die Schittko-KTM bei den 8 Stunden in Oschersleben nach bravoröser Fahrt auf den dritten Platz in der Open-Klasse. Dieses Jahr entwickelte sich anders. Ein Podestplatz gab es am Ende nicht zu bejubeln, aber Dramatik und große Gefühle sollten sich trotzdem einstellen.

Konrad Schittko, sportbegeisterter KTM-Dealer aus Unna, hatte seine Endurance-RC8 R erneut voller Begeisterung präpariert und optimiert: frisch aufgebautes V2-Triebwerk, neue MAB-Edelstahl-Auspuffanlage, aufgefrischtes Chassis, pro Gangstufe programmierbarer Bazzaz-Schaltautomat, Beringer Endurance-Bremszangen mit extra dicken Bremsbelägen, feine Magura-Armaturen für Kupplung und Bremse, Passform-optimierte Verkleidungsteile, Schnellverschlüse für den Wasserkühler, optimierte Distanzstücke für Vorder- und Hinterrad plus neue Achsen, modifizierter Kabelbaum, leichte Lithium-Ionen-Batterie, ein Mini-LED-Rücklicht für Regen-Gischt und einiges mehr.


Ochersleben

Der detailoptimierte V2-Bomber in nackten Zahlen: 174 PS am Hinterrad, bei 10.800 Touren, Drehmoment 120 Newtonmeters bei 5.500, Gewicht 191 kg inklusive 15 Liter Sprit.

Aufgebaut wurde die KTM zur Teilnahme an der nationalen GEC-Endurance-Serie sowie für den 8 Stunden Langstrecken-WM-Lauf in Oschersleben. In der Open Klasse können Teams und Händler, die nur an diesem einen Event teilnehmen möchten, ihr Tuning-Kunst unter Beweis stellen können, ohne durch das eng gestrickte Superstock-Reglement eingeengt zu werden. Zusammen mit diesen sowie den arrivierten Langstrecken-EWC-Teams an den Start zu gehen, die teils Werks- oder Importeurs-Unterstützung genießen und diesen Sport auf beachtlichem Niveau betreiben, ist eine inspirierende Herausforderung und ein fantastische Erfahrung zugleich, auch wenn die Erfolgsaussichten sich realistisch in Grenzen halten. Was zählt, ist die sportliche Herausforderung, beim Endurance WM-Abenteuer zu überstehen und bestmöglich abzuschneiden.

Jedes Racing-Projekt will Schritt für Schritt auf den Weg gebracht werden und braucht etwas Vorlauf. Die Helldobler-Brüder (Thomas und Stefan), zwei Heißsporne aus der nationalen Szene, die auch in der Superduke-Battle erfolgreich waren, waren für die Schittko RC8 R als GEC-Fahrerduo gesetzt. Bei ersten Testfahrten im Frühjahr in Frankreich brach sich Stefan jedoch ein Schlüsselbein. Als Konsequenz fiel auch der erste Einsatz bei den traditionellen 1000 km Hockenheim aus. Beim nächsten Einsatz am Nürburgring, bei dem Konrad als Fahrer selbst in die Bresche sprang, machte ein technisches Problem einen Strich durch die Rechnung. Obendrein verwüstete ein Unwetter einen Großteil des Fahrerlagers, worauf das Event abgesagt wurde.

Nachdem die GEC-Pläne sich mehr oder weniger in Luft aufgelöst hatten, blieb das 8 Stunden-Event in Oschersleben als großer Gig übrig. Ein Grund mehr, alle Register zu ziehen. Konrad zog ein Shell-Sponsorship an Land und fragte bei KTM nach einem Ersatzmotor, worauf Mattighofen ohne großes Federlesen eine RC8 R Track leihweise heraus rückte, die just von Einsätzen in der holländischen Championship zurück kam. Schittko (längere Zeit Superduke-Battle Rundenrekordhalter in Oschersleben) verwarf schließlich den Gedanken, selbst als Fahrer am Gas zu drehen und entschloß sich das Fahrertrio Hendrik Ladiges, Oliver Schmidt und Thomas Helldoblers in die 8-H-Schlacht zu schicken.

Im freien Training lief alles rund, im ersten Qualifying jedoch wurde es hektisch. Ein Ventil-Shim machte Kummer, worauf der Tag damit gefüllt wurde, den Motor aus der Ersatz-RC8 R Track auszubauen und in die Einsatzmaschine zu verpflanzen. Im zweiten Qualifying am nächsten Tag verlief dann  alles glatt und der orange-blaue Twin 2 zog zuverlässig markerschütternd seine Runden. Parallel wurde das langstreckentauglich präparierte Zweizylinder-Triebwerk erfolgreich verarztet und anschließend für das Rennen wieder eingebaut.

40 Teams nahmen am Start Aufstellung. Olli „Rakete“ Schmidt gelang ein guter Start von Gridposition 31 und zog danach mächtig am Kabel. In der zweiten Stunde wurde ein Kupplungsproblem beseitigt und später ein gebrochenes Kettenrad ersetzt. Schnelle Rundenzeiten und regelmäßige Stints spülten das Team schon bald auf den vierten Platz in der Open-Kategorie nach vorne. Nach fünf Stunden setzte es einen ordentichen Tiefschlag: Ladiges stürzte in der Hotelkurve per Highsider, die RC8 R flog hoch und weit, bei der brutalen Landung wurde praktisch die ganze Front abgerissen.

Das Wrack wurde an die Boxen gebracht. Auf den ersten Blick sah es verdächtig nach Totalschaden aus. Konrad Schittko inspizierte die zerfledderte RC8 R und fragte dann Olli Rakete: »Was ist, willst Du noch mal fahren?« Ollis Antwort: »Hmmm, ich habe noch kein Bier aufgemacht.«

Ergo war Aufgeben kein Thema mehr. Konrad und seine Crew (ausnahmslos Superduke Battler oder Hardcore KTM-Freaks) spuckten in die Hände und begannen mit dem Wiederaufbau. Das Ersatzbike wurde kannibalisiert und exakt 59 hektische Minuten später ging die runderneute Schittko-RC8 R mit neuer Gabel, neuen Vorderrad und etlichen anderen Teilen instandgesetzt zurück ins Rennen. Ladiges war mit geschwollenem Knie außer Gefecht, also absolvierten Oliver und Thomas die letzten Stints. So donnerte die Schittko-KTM flat-out und unter lautem Jubel ins Ziel, um am Ende in der Open-Klasse auf Platz 8 klassiert zu werden.

Endurance-Sport ist ein Mix aus Technik, Teamwork, Fahrkunst, dramatischen Ereignissen, Kampfgeist und Durchhaltevermögen. Das Schittko KTM-Team hat einmal mehr bewundernswert vollen Einsatz gezeigt und alles gegeben. Gut möglich, das die diejenigen, die alles miterlebt haben sich künftig daran eher erinnern als an den Podestplatz vom vergangenen Jahr. Verrückt? Vielleicht. Aber auf jeden Fall ein großartiges Erlebnis.

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