Wo werden die erfolgreichen Moto3-Renner gebaut? Wir warfen einen Blick in die Werks-Rennabteilung von KTM und löcherten Ingenieur Wolfgang Felber, Road Racing Senior Manager, mit ein paar Fragen.
Munderfing ist die nächste Ortschaft neben Mattighofen. Dort im Industriegebiet, gleich neben dem KTM Motorenwerk und neben WP Suspension, finden sich die Räumlichkeiten von KTM Factory Racing. Der Flachbau ist in einen Bürotrakt und vier Werkbereiche aufgeteilt, für Roadracing, Motocross, Enduro und Rallye. Insgesamt arbeiten hier rund 80 Personen.
Noch letztes Jahr waren die Offroad-Sportbereiche direkt in der KTM-Entwicklungsabteilung in Mattighofen untergebracht und die Asphalt-Rennabteilung logierte in einer Ecke des KTM-Hauptgebäudes, gleich neben dem Büro von Sportdirektor Pit Beirer. Inzwischen also sind alle Werks-Sportabteilungen umgezogen nach Munderfing und gemeinsam in einem Gebäude untergebracht.
Niemand spaziert bei KTM Factory Racing einfach so hinein. Im Vorraum ist eine Rezeption, die mit zwei Damen besetzt ist. Von hier aus sind alle abgehenden Türen und Zugänge elektronisch gesichert. Zum Glück steht mir eine freundliche Begleitperson aus dem KTM-Werk zur Seite, die mich durchschleust bis in den Roadracing-Bereich, im dem sich derzeit alles um Moto3 dreht.
Zunächst ist kurz Gelegenheit, sich umzuschauen. Rechts in der Halle ist der Werkstattbereich. Orange Werkzeugschränke sind rundum platziert, auf blauen Hebebühnen stehen teilzerlegte Moto3-Maschinen. Teile und Verkleidungen liegen auf Ablagen und Werkbänken, aber alles wirkt luftig, hell, sauber, aufgeräumt. Einige Mechaniker sind in ihre Arbeit vertieft, nicken aber freundlich beim Aufblicken, weil man sich in der Vergangenheit auf mancher Rennstrecke schon mal über den Weg gelaufen ist.
Vor dem Werkbereich sind drei letztjährige Moto3-Bikes auf Ständern abgestellt. Ein WM-Bike im Red Bull-Outfit von Weltmeister Sandro Cortese, ein unlackierter Production-Racer und eine weiße Maschine. Daneben sind auf Regale Federbeine und Gabeln fein säuberlich abgelegt. Im linken Teil des Werkstattbereichs sind einige Motoren auf den Werkbänken abgestellt, auf einem Tisch liegen mehrere Kurbelwellen.
Im linken Teil der Halle sind separate Räumlichkeiten abgeteilt. Ein Raum nimmt imposante Bearbeitungs-Fräsmaschinen auf (eine mit 5 und eine mit 4 Achsen), dazu eine CNC-Drehbank. Später ist zu erfahren, dass die Kapazitäten voll ausgelastet sind mit der Bearbeitung von Motoren- und anderen Teilen für die Rennmaschinen. Kammern für Motoren-Rollenprüfstand und Rahmen-Schweißarbeiten gibt es ebenfalls.
Daneben im Raum sitzt ein Mitarbeiter konzentriert am Computer; auf dem Monitor ist zu sehen wie er mit einem Konstruktionsprogramm gerade eine colorierte Gabelbrücke dreht und wendet. Daneben am Schreibtisch arbeitet ein bekanntes Gesicht am Laptop: Konrad Hefele, der für KTM nach dem 125er Junior Team das IDM-Superbike-Team als Teammanager leitete und inzwischen mit in das Moto3-Projekt eingebunden ist.
Vor diesem Bereich sind zwei serienmäßige RC8 R und zwei 125er Dukes abgestellt. Das ist der Abteilungs-Fuhrpark, wie mir erklärt wird. Wer eine Runde auf der Straße drehen möchte, kann sich hier leihweise bedienen. Nebenan in einem weiteren Raum ist die Elektronikabteilung. Hier kümmert sich ein Techniker um Kabelbäume, Cockpits, Sensoren und andere geheimnisvolle Dinge.
Wolfgang Felber, Road Racing Senior Manager, pickt mich schließlich auf. Wir setzen uns einen Meeting Room und ich kann ein paar Fragen abschießen:
Wie funktioniert die Moto3-Rennabteilung?
Felber: »Einsatz und Entwicklung der Rennmotorräder erfolgen getrennt. KTM Factory Racing ist der Kopf des ganzen Engagements. Hier werden die Bikes entwickelt. Das Team von Aki Ayo, das in der Nähe von Barcelona stationiert ist, setzt diese im GP-Sport ein und übernimmt auch die Betreuung während der Rennsaison. KTM sorgt für alle Teile und das ganze Material. Die Ajo-Mechaniker kommen dann hierhin und bauen die Bikes selbst zusammen. Auch die Saison über wird Weiterentwicklung betrieben.«
„Konstruktiv wird alles hier gemacht. Dabei wird die Rennabteilung aber von der KTM-Entwicklungsabteilung unterstützt. Bei der Motorenentwicklung mit der Berechnung von Ladungswechsel, Motorenauslegung oder Auspuffanlagen, ebenso mit Berechnungen und Steifigkeitstests bei Rahmen und Schwingen.«
Der Gewinn des WM-Titels mit Cortese muss ein schönes Gefühl gewesen sein?
Felber: »Sicher, absolut toll. Leider haben wir es gar nicht so geniessen können. Seit zwei Jahren powern wir mit Vollgas dahin. An dem Tag, an dem Sandro Weltmeister geworden ist, sind wir um 7 Uhr morgens am Flughafen gestanden und nach Spanien geflogen zum Testen mit dem 2013er Modell. Diese Rennsport-Romantik, dass man gewinnt und dann erstmal feiert, die gibt es nicht mehr. Das geht nahtlos ineinander über.«
»Aber das Erfolgserlebnis ist natürlich großartig. Wir haben das Projekt mit Zeitrückstand begonnen. Als wir anfingen, war Honda schon fertig. Dann wurden mittendrin die Regeln geändert, das Drehzahllimit von 15.000 auf 14.000 Touren reduziert. Deswegen war der Job für uns nicht leicht.«
»Ich kann mich noch gut an Mitte-Ende 2011 erinnern, als wir noch um den Superbike-IDM-Titel gekämpft haben. Die Moto3-Entwicklungstruppe war ja 1 zu 1 die IDM-Truppe mit denselben Leuten. Einerseits galt es den Titel sicher zu stellen, andererseits rechtzeitig mit Moto3 beginnen. Sich von kleiner Flamme nach dem IDM-Finale in Hockenheim sofort zu steigern, das war schon ein bisschen problematisch.«
Wie optimistisch durftet Ihr zu Saisonbeginn sein?
Felber: »Wir haben nicht gewusst, wo wir stehen. Bei den 125ern der Bartol-Ära hatten wir Aluminiumrahmen, für die Moto3 haben wir einen Stahlrohr-Gitterrahmen gebaut, dazu ist WP Suspension neu eingestiegen. Wir haben beim Konzept andere Wege beschritten, deswegen war die Erleichterung groß bei den IRTA-Test, als zu sehen war, dass das Paket funktioniert. Unser Bike war schnell und vor allem haben sich alle fünf Fahrer damit wohl gefühlt. Das war wichtig und positiv. Weil es nicht selten ist, dass man ein Motorradl baut, aber nur einer kann damit umgehen, die anderen kommen nicht zurecht.«
»Der erste GP in Katar war ein bisschen verwachst, aber daraus wurden Schlüsse gezogen und das Moped weiter entwickelt. Je länger die Saison andauerte, desto stärker wurde KTM. Beim Chassis hat es mehrere Evolutionsstufen gegeben. Dabei ging es immer um die Abstimmung der Steifigkeiten und die Harmonie mit den Reifen, um das Gefühl für den Fahrer zu verbessern. Der Motor ist relativ gleich geblieben, auch, weil das Reglement es vorschreibt, bei Motoränderungen alle Fahrer gleich zu behandeln. Das haben wir auch gemacht. Jeder hat zur gleichen Zeit das gleiche Material erhalten.«
Die meisten Leute wissen inzwischen, dass der Moto3-Motor von KTM stärker ist als der von Honda.
Felber: »Wir haben den Honda Motor nicht analysiert. Ein Unterschied ist, das unser kurzhubig ist und die 81 mm Bohrung voll ausnutzt. Vielleicht ist unser Ansatz radikaler. Das Design stammt von Kurt Trieb, der auch unseren MotoGP-V4-Motor konstruiert hat. Das Layout ist eigentlich erstaunlich ähnlich. Radiale Ventile und konische Nocken, dazu Schlepphebel – das hat sich als gute Lösung erwiesen.«
»Unser MotoGP-Motor war technisch vielversprechend, das Layout supermodern damals. Leider stand das Projekt von Anfang an unter einem unglücklichen Stern, weil unterfinanziert. Die Konstellation mit dem Roberts-Team hat nicht zusammen gepasst und war dann auch recht schnell vorbei. Aber ich sag immer: Man macht nie etwas umsonst. Wir haben für das Moto3-Projekt viel übernommen, an Lösungen und Know-how, geviertelt auf 250 Kubik. Aus der Sicht war es auf jeden Fall wertvoll.«
KTM hat die letzten 8 Rennen in Folge und den WM-Titel gewonnen. Konnte das Motorrad für 2013 nochmals verbessert werden?
Felber: »Das glauben wir schon. Die nächstjährige Moto3-Maschine ist eine Evolution. Vieles sieht ähnlich aus, aber es ist fast nichts gleich. Wir haben einiges vereinfacht und kommen mit weniger Teilen aus. Das Bike ist leichter geworden und wird auch bei der Leistung einen Schritt weiter sein.«
Wer hat von den Fahrern die größten Chancen, Sandro Cortese nachzufolgen?
Felber: »Ich würde sagen, Luis Salom und Maverick Vignales, der neu auf einer Werks-KTM sitzt, im LaGlisse-Team. Zulfahmi Khairuddin traue ich viel zu, mal schauen, wie er sich weiter entwickelt. Aber man weiß es nie: Es steigen immer Fahrer auf, mit denen man vorher nicht rechnet. In dem Alter lernen Fahrer sehr schnell.«
Und zum Moto3-Production Racer RC250R?
Felber: »Der Production Racer kostet 45.000 Euro, insgesamt 40 Stück werden gebaut. Die Montage erfolgt im Werk Mattighofen an einem separaten, kleinen Montageband, an dem sonst neue Modelle zur Einarbeitung gefertigt werden. Die Motorräder für den Red Bull Rookies Cup werden in Spanien assembliert. In Manresa bei Barcelona, wo der Cup stationiert ist. Wir schicken alle Teile runter und lassen die Mechaniker die Bikes gleich zusammenbauen. Das ist ein sehr gutes Training und sie machen es eh gerne. Production Racer und Rookies-Cup-Bikes unterscheiden sich lediglich bei Lackierung und Auspuff. Der Rest ist identisch.«
Comments